Der Jagdhund als Familienhund – geht das überhaupt?
Der Jagdhund als Familienhund kommt in Mode
Nicht nur Pomeranians und Hipster-Hunde wie der Frenchie sind schon seit längerem in Mode, nein leider auch viele unserer Jagdhunderassen.
Manche Rassen sind von diesem Trend stärker betroffen, manche weniger, aber immer geht damit eine Entwicklung bei den stark nachgefragten Rassen einher, die sich negativ auf die jeweilige Rasse auswirkt.
Deswegen würde ich heute gerne einmal einige Dinge zur Sprache bringen, die häufig falsch und meist völlig pauschal beurteilt werden.
Warum der Familienhund auf Kleinanzeigenportalen NICHT zu finden ist
Sobald eine Hunderasse „zur Mode“ wird, ist das in aller Regel immens schlecht für die sogenannten Rasseeigenschaften und die Gesundheit der betroffenen Rasse, denn der „Bedarf“ kann von seriösen Züchtern schwer gedeckt werden, wenn die Nachfrage steigt. Somit kaufen auch viele Menschen ihren Hund auf Onlineportalen via Kleinanzeige.
Doch nicht nur das ist ein Grund, warum viele Menschen dort kaufen. Auch das VDH-Bashing in Bezug auf Qualzuchtrassen der letzten Jahre, hat meiner Meinung nach dazu geführt, dass beim Käufer eine tiefe Unsicherheit geschürt wurde beim Welpenkauf. Oft höre ich folgendes:
Beim VDH-Züchter kaufe ich nicht, die wollen doch nur Geld machen. Ich kaufe privat.
Tja, wozu führt das?
Dass beim Ups-Wurf, beim „meine-Hündin-soll-einmal-Welpen-haben-Produzenten“ und beim osteuropäischen Welpenhändler, nicht explizit auf die Elterntiere und deren (gesundheitliche) Ausgangsvorraussetzungen geachtet wird, brauche ich glaube ich nicht extra zu betonen.
Auch sind die Papiere, denen bei Jagdhunden noch eine zusätzliche Rolle zu Teil wird, selten von seriösen Zuchtverbänden via Internet, wenn die Hunde denn überhaupt welchen haben.
Die angebotenen Jagdhunde haben also keine Papiere oder Papiere eines Vereines mit zweifelhafter Zuchtordnung.
Was bedeutet das für den Jagdhundwelpen?
Ist man im Vorfeld wenig oder schlecht informiert, kann das für die Gesundheit des Hundes nachhaltige Folgen haben. Doch nicht nur gesundheitlich bringt es Auswirkungen mit sich, nein auch für wichtige Rasseeigenschaften.
So bleibt eine gewünschte Arbeitsfreude, Vorsteheigenschaft oder ein ausgeprägter „will-to-please“ der gewünschten Jagdhunderasse , leider sehr schnell auf der Strecke.
Alles Eigenheiten, die gezielt selektiert werden bei einem gewissenhaften Züchter, dem die Rasse am Herzen liegt…und die mit dazu beitragen, dass der Jagdhund auch eines Tages zum Familienhund werden kann.
Unsere Deckhündin wird nicht jagdlich geführt und lebt bei uns mit in der Familie.
Ist ein typischer Satz, der suggeriert, dass man leicht erziehbare Welpen bekommt und der Hund nicht jagen geht, oder ausgelastet werden möchte.
Es wird damit geworben, dass der Hund „nicht jagdlich geführt“ wird, sondern nur „in der Familie lebt“ und ein prima Familienhund ist. Das bleibt bei vielen Interessenten hängen, denn das trifft den Wunsch vieler Käufer exakt.
Ich will ja nicht zur Jagd, sondern nur einen ganz normalen (Familien-)Hund.
Der fromm-naive Wunsch eines uninformierten Kaufinteressenten
Bei denen als eher „leichtführig“ gehandelten Jagdhunderassen (z.B. Magyar Viszla, Labrador, Golden Retriever und auch der Setterrassen) stellt die Umlenkung in Alternativen, außerhalb der Jagdausübung vielleicht kein Problem dar, aber was wenn der Mensch ihm diese nicht bietet?
Was ist mit den Jagdhunderassen, die Schärfe (Bereitschaft zur kämpferischen Auseinandersetzung) in ihrem genetischen Programm verankert haben und auf gewisse andere Wesenszüge nicht geschaut wird bei der Verpaarung?
Der gebrauchte Jagdhund
Mir tut es in der Seele weh, wenn ich all die Jungspunde auf den Kleinanzeigenportalen sehe, die meist um die Pubertät herum abgegeben werden und die Opfer einer Unbedarftheit seitens der Käufer wurden, wie ich sie sonst nur aus dem Bereich der kurznasigen Hunde mit ihren potentiellen Qualzuchtmerkmalen kenne.
(Ein seriöser Züchter nimmt i.d.R. seine Welpen zeitlebens zurück, oder steht helfend zur Seite bei Problemen – der unseriöse Züchter nicht und Onlinewelpen landen genau dort wieder wenn die Erziehung nicht funktioniert – auf den Kleinanzeigenportalen oder wahlweise im Tierheim.)
Darum würde ich gerne über die teils sehr eigenen Bestimmungen bei uns Jagdhundeleuten aufklären, denn die Vermittlung dieses Wissens ist elementar, wenn man einen Jagdhund aus einer Zucht zu sich holen möchte.
Die Artikelreihe gliedert sich übersichtshalber in folgende 3 Teile:
- Der Jagdhund als Familienhund?
- Papiere ja – aber welche?
- Ein Familienhund bei der Arbeit
(+Prüfungsablauf einer Jugendsuche von einem meiner Hunde)
Wie eine Anzeige eines potentiellen „Familienhundes“ NICHT aussieht
Ich habe hier exemplarisch eine Labradorhündin ausgewählt, alle anderen Rassen betrifft es genauso oder in ähnlicher Weise. Gleiches gilt für Deckrüden.
Welpenanzeigen sind genauso aufgebaut, denn auch dort wird mit der Mutter als Nicht-Jagdhündin geworben.
Sehen wir uns also mal eine typische Jagdhund = Familienhund Anzeige von einem Kleinanzeigenportal an:
Klingt erstmal ganz nett, oder? Noch nichtmal ein Rechtschreibfehler enthalten. 😉
Ich fange mal von oben an die Anzeige zu erklären:
- silberfactored:
Die Farbverdünnung die beim Weimeraner rassetypisch ist, kann sich bei der Einkreuzung mit einer anderen Rasse krankmachend für die Nachkommen auswirken.
Der silberne Labrador ist eine farbverdünnte Variante des braunen Labrador (Verdünnung von braun). Die Farbaufhellung wird durch eine Verpaarung mit dem Weimaraner erreicht und kann zu schlimmen Hautproblemen und Haarausfall bei den Nachkommen führen, wenn das Dilute-Gen vorliegt.
(Ausschnitt aus meinem Interview mit Prof. Irene Sommerfeld-Stur Anfang des Jahres)
- Silberzucht beim Labrador
Ist abgesehen von den schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen, in Deutschland überhaupt nicht anerkannt als Farbschlag beim Labrador. Zumindest nicht unter einem seriösen Dachverband. - stammt von alten FCI Linien ab
irgendwo im Stammbaum taucht tatsächlich ein Hund auf, der unter einem seriösen Dachverband gezüchtet wurde, was aber offenbar schon länger zurück liegt. - kann im Frühjahr wieder belegt werden
Das ist ein Punkt, der seriöse Zuchtordnungen, von denen der unseriösen unterscheidet.
ABER NUR EIN PUNKT! Und der muss zwingend zum Wohle einer Hündin beachtet werden.
In manchen Vereinen ist es erlaubt die Hündinnen bei jeder Hitze zu belegen, oder auch bei jeder zweiten. Gerade ersteres ist aufs schärfste zu verurteilen, auch das zweitere sehe ich persönlich als kritisch, die Mütter unter den Leserinnen, können eventuell den Gedankengang nachvollziehen, alle anderen eventuell auch.
Eine Trächtigkeit ist auch für einen Hund nicht so einfach aus dem Ärmel zu schütteln. Jedes halbe Jahr oder einmal im Jahr Welpen auf die Welt zu bringen ist kräftezehrende Arbeit und strengt eine Hündin auch mental an.
…und btw die Hündin ist 4 Jahre alt und hat ihre „bisherigen Würfe“ sehr gut versorgt.
Bei einem seriösen Züchter geht eine Hündin mit ca. 2 Jahren in die Zucht, bei Rassen mit bestimmten Krankheiten oder Züchtern mit bestimmten Überzeugungen, sogar noch später. - zuchttauglich
In welchem Verein? Hat dieser eine seriöse Zuchtordnung?
In diesem Fall ohne Zweifel NEIN. - die Hündin ist genetisch frei bei den wichtigsten Erkrankungen
Wenn das so einfach wäre, gäbe es leider nicht all die Probleme in der Rassehundezucht.
Beim Labrador z.B. ist eine sehr häufige Rassedisposition HD (Hüftgelenksdysplasie).
Allein diese ist multifaktorell und bis heute noch nicht völlig geklärt.
Hier also von „genetisch frei“ zu sprechen, ist eine der vielen Irreführungen in der Anzeige - ein absoluter Familienhund
„Der frei laufen kann und NUR positive Eigenschaften besitzt.“
Das ist schön für die Hündin (wenn es denn so wäre), aber Hr. Mendel hat da damals mit seinen Erbsen ganz elementare Schranken vor diese pauschalen Aneinanderreihungen gesetzt.
Nur weil ein Labrador (exemplarisch für alle anderen Jagdhunderassen, die so angepriesen werden) frei läuft und abrufbar ist, hat er dennoch über jahrzehntelange Selektion in seinen Genen und gibt diese auch so an die Welpen weiter, hier fehlt eine sehr wichtige Information.
Konsequente Erziehung!
Kein Welpe, egal welcher Rasse er angehört, kommt als Familienhund auf die Welt.
Allenfalls mit einer Tendenz, die es gilt von Anbeginn an zu fördern, damit er einmal zu einem Familienhund werden KANN.
- eine Hobbyzucht
Dieser Begriff wird einzig und allein vom Finanzamt definiert.
Das Wort Hobbyzucht sagt nichts über Zuchtvorraussetzungen aus. Ein VDH-Züchter kann eine ebensolche Hobbyzucht betreiben, wie ein Ups-Würfler oder ein Vermehrer, der nicht alle Einkünfte weitergibt.
Leider wird das Wort Hobbyzucht heute explizit von den schwarzen Schaafen so verwendet, dass es beim Käufer „liebevoll“ suggeriert, denn offenbar wird ja kein Geld mit der Zucht betrieben.
*Ironie off* - wird als Familienhund (ohne Papiere) abgegeben
Das gibt es bei einem seriösen Abgaberassehund oder Welpen nicht.
Ein Hund mit einwandfreier Herkunft, bei der Wert auf Gesundheit und Rasseeigenschaften gelegt wird, hat immer Papiere und zwar von einem Verein der unter einem Dachverband züchtet. Der VDH oder die FCI, hat wichtige Grundvorraussetzungen in den Statuten verankert, das darf man nicht vergessen.
Auch in Dissidenzvereinen KÖNNEN gute Züchter existieren, ja, aber hier gelten oftmals gelockerte Vorschriften innerhalb der Zuchtordnungen und es ist für Laien schwer, diese zu hinterfragen. Noch schwerer als es ohnehin schon heutzutage ist, wo jeder Hinz und Kunz Hunde „züchten“ darf und diese ohne gesetzliche Kontrolle verkaufen kann.
(Mein zweiter Artikel wird die Eigenheiten der Verbände und Organisationen beleuchten.) - wird in die Zucht (mit Papieren) abgegeben
Die Papiere können unmöglich von einem Verein mit seriöser Zuchtordnung stammen, sonst wären die „Papiere“ obligatorisch mit dabei.
Rassehunde eines seriösen Vereines haben IMMER Papiere, egal ob Jagdhund oder nicht.
- last but not least: weiterer Kontakt über WhatsApp
Originale kann der Laie zwar auch vor Ort nicht von einer Fälschung unterscheiden, aber über Bilder ist das noch schwieriger.
Sms und WhatsApp als Kontaktmedium sind immer zu hinterfragen in Onlineanzeigen.
Keiner möchte einen kranken, falsch geprägten und hochpassionierten und wesensschwachen Jagdhund als Familienhund, der spätestens in der Pubertät zeigt was in ihm steckt, oder?
Deswegen gilt es alle oben genannten Punkte und noch viele weitere zu beachten bei der Auswahl eines Jagdhundewelpen und da wären wir bei einem, aus meiner Sicht, zentralen Punkt, der einen Jagdhund auch zum Familienhund werden lässt.
Der seriöse Züchter
Alles steht und fällt mit dem Züchter, denn nur er kann seine Hunde und vor allem seinen liegenden Wurf einschätzen und den Bedürfnissen des Besitzers entsprechend auswählen und das sollte man ihm tatsächlich auch überlassen.
(„Aber der kam doch als erstes auf mich zugerannt! “ ist kein gutes Auswahlkriterium).
- Nur ein seriöser Züchter wählt Hunde zur Verpaarung, die die Rasseeigenschaften der Elterntiere enthalten und setzt diese ergänzend ein.
Ein Wurf mit Welpen kann tendenziell eher sehr passioniert oder weniger passioniert ausfallen.
Ein Wurf aus der Leistungszucht kann auch Welpen mit wenig Jagdtrieb hervorbrinigen und ein Wurf aus der Formzucht kann einen hochpasionierten „Jäger“ beinhalten.
Gleiches gilt für andere Eigenheiten wie die von mir oft betonte Schärfe oder als weiteres Beispiel die Kooperationsbereitschaft, etc. pp.. - Nur ein seriöser Züchter prägt seine Welpen schon von Anbeginn mit Sachverstand auf sein späteres Leben und schafft die bestmöglichen Vorraussetzungen, dass ein Jagdhund überhaupt zum Familienhund werden kann.
- Nur ein seriöser Züchter legt Wert auf Faktoren wie Epigenetik, Aufzuchtbedingungen, Auswahl der Welpenkäufer…und was am wichtigsten ist:
- Nur ein seriöser Züchter klärt auf und stellt dem Käufer auch unbequeme Fragen!
Er informiert über SEINE Rasse, Vor- UND Nachteile, (gesundheitliche) Probleme innerhalb der Rasse, klipp und klar und ohne Umschweife und steht jederzeit helfend zur Seite wenn es mal zu Fragen kommt.
Egal ob das ein Deutsch Drahthaar, ein Labrador, ein Golden Retriever ein Setter oder ein Dackel ist.
Alle Jagdhunde haben ganz besondere Supertalente und die gilt es zu berücksichtigen, wenn man sich einen Jagdhund als Gefährten an die Seite holen möchte.
Ein Jagdhund, auch einer der oftmals propagierten „leichter zu erziehenden Rassen“, braucht Erziehung und zwar eine konsequente.
Wenn er aus einer dubiosen Zuchtstätte stammt, kann man nicht mehr mit den gewollten Eigenschaften bei der gewünschten Rasse rechnen und das macht die Erziehung nicht einfacher.
Auch ein Hund von einem seriösen Züchter erzieht sich nicht von alleine, aber er bekommt ALLES mit auf den Weg, dass er einmal ein Traum von Familienhund werden KANN.
Der Rest hängt am anderen Ende der Leine.
Gibt es den familientauglichen Jagdhund denn nun?
Ja, definitiv!
Aber ein Jagdhund bringt IMMER ganz typische Rasseeigenschaften mit!
Diese sollten somit zu den eigenen Fähigkeiten, Vorstellungen und Alltagsgegebenheiten passen.
…und selbst dann ist es ein gehöriges Stück Arbeit, die einem bevorsteht, egal wieviel „will-to-please“, geringes Aggressionspotential, Sozialverträglichkeit und Spaß am Lernen die Wunschrasse in ihren Genen trägt.
Für mich persönlich gibt es definitiv Rassen bei den Jagdhunden, die nicht als Familienhund geeignet sind und hier sperren sich meist auch die entsprechenden Vereine und geben nur in Jägerhand ab und das ist meiner Meinung auch richtig so.
Leider gibt es diese Rassen dann eben auch in den Kleinanzeigenportalen…
Ein Jagdhund möchte auch innerhalb von Familien/Singlehaushalten ausgelastet und beschäftigt werden – das klappt nicht mit jedem Hund und auch nicht in jeder Familie. Punkt.
Es heißt also, seinen gesunden Menschenverstand einzuschalten und sowohl die richtige Rasse, als auch den passenden Welpen zu wählen damit es mit dem Jagdhund als Familienhund klappt…aber bitte nicht von den Kleinanzeigenportalen im Internet,
sondern bei einem seriösen Züchter.
…und wo man den findet, das behandelt der zweite Teil, dieser Artikelreihe.